![]() |
Fehler melden |
|
"My Younger Senpai" ist auf den ersten Blick eine süße Geschichte, moralisch aber durchaus fragwürdig. Natürlich handelt es sich um eine fiktive Erzählung, aber beim Lesen konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, dass hier eine erwachsene Figur eine Minderjährige in einer Weise bedrängt, die zumindest grenzwertig ist. Dass es sich um eine Beziehung zwischen zwei Frauen handelt, ändert nichts an diesem Problem. Dennoch liegt der Fokus der Geschichte ganz woanders – nämlich auf Young Romance und Comedy.
Gerade der erste Band vermittelt noch nicht ansatzweise, wie stark die Geschichte später eskaliert. Anfangs bleibt alles recht zurückhaltend: Abgesehen von einem halben Nippelblitzer gibt es kaum freizügige Szenen. Umso überraschender ist die Entwicklung in den folgenden Bänden, die in ihrer Inszenierung immer expliziter werden – wenn auch nie bis zum Äußersten. Leser, die nach dem ersten Band eine leichte Yuri-Romanze erwarten, könnten daher von der späteren inhaltlichen und visuellen Intensität überrumpelt werden.
Die Story selbst ist jedoch solide erzählt und kommt mit wenigen, aber gut geschriebenen Charakteren aus. Die Zeitreise-Thematik wird nicht überkompliziert dargestellt, sondern dient hauptsächlich als Mittel zum Zweck, um die Dynamik zwischen den Protagonistinnen zu gestalten. Dadurch bleibt die Erzählung angenehm kurzweilig, auch wenn einige moralische Fragen bewusst ausgespart werden.
Der Zeichenstil ist größtenteils gelungen, insbesondere die allgemeine Charaktergestaltung und der Ausdruck von Emotionen. Allerdings wirkten einige Gesichtsdetails in bestimmten Szenen auf mich nicht ganz stimmig – vor allem, wenn Charaktere besondere Gesichtsausdrücke machen sollten. Was die Anatomie betrifft, wird insbesondere bei der Oberweite einer Figur nicht gespart. Das dient jedoch nicht nur dem Fanservice, sondern wird auch als kleines Plotdevice eingesetzt.
Was mich persönlich etwas gestört hat, ist die Zurückhaltung in den intimeren Szenen. Zwar ist es nachvollziehbar, dass die Geschichte anfangs noch eher unschuldig bleibt, doch im weiteren Verlauf hätte ich mir gewünscht, dass der Manga konsequenter wäre und gewisse Momente nicht immer nur andeutet. Stattdessen wird oft kurz vor dem Höhepunkt abgebrochen, was sich mit der zunehmend intensiven Entwicklung der Geschichte etwas beißt.
Problematisch empfand ich allerdings vor allem das Ende. Es fühlte sich für mich nicht mehr ganz rund an, als hätte man sich nicht genug Mühe mit einer durchdachten Auflösung gegeben. Dabei geht es mir nicht einmal darum, warum oder wie es zu der Zeitreise kam, sondern vielmehr darum, dass essenzielle Aspekte wie Erinnerungen, Zeitkontinuität oder persönliche Identität überhaupt nicht bedacht wurden. So bleibt am Ende trotz des eigentlichen Happy Ends für Nanasawa ein sehr fader Beigeschmack – von der moralischen Seite gar nicht erst zu sprechen.
Letztlich stellt der Manga vor allem die "Was wäre wenn?"-Frage. Was hätte man anders gemacht, wenn man noch einmal die Chance dazu hätte? Doch dass solche Erlebnisse nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die eigene Persönlichkeit verändern, wird völlig außer Acht gelassen. Dadurch wirkt die Geschichte am Ende unvollständig, als würde sie nicht konsequent zu Ende gedacht.
Unterm Strich ist My Younger Senpai ein unterhaltsamer Manga mit einer charmanten, aber kontroversen Geschichte. Wer mit der moralischen Fragwürdigkeit leben kann und eine humorvolle Yuri-Romanze mit Zeitreise-Elementen sucht, wird hier sicherlich auf seine Kosten kommen – sollte sich aber darauf einstellen, dass der Manga nicht so harmlos bleibt, wie er zunächst scheint. Leider hinterlässt das unausgereifte Ende jedoch einen zwiespältigen Eindruck.
That Guy
04. Februar 2025 08:39